Von Null auf fünf Kilometer

Trotz einer Vorerkrankung ist Ausdauersport möglich! Anhand eines Fallbeispiels zeigt dieser Beitrag auf, wie das Ziel einer Kundin – die Teilnahme an einem Fünf-Kilometer-Volkslauf – verwirklicht werden konnte. Als Sportphysiotherapeut bin ich Motivator und Wegbereiter für ein sportlich aktives Leben. Gerade Patienten mit orthopädischen Vorerkrankungen können von diesem Fachwissen profitieren. Am Ende einer solchen Therapieserie stellte sich für mich und meine Kundin die Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Von der Krankengymnastik auf die Laufstrecke - geht das? Ja, denn grundsätzlich ist alles möglich. Voraussetzung ist natürlich eine systematische und individuelle Trainingsplanung, bei der man dem Kunden die Zeit gibt, die er für sein erstes erfolgreiches Laufabenteuer benötigt.

Meine Kundin Frau W., 56 Jahre alt, hatte gerade zwölf Krangengymnastiktermine innerhalb von acht Wochen absolviert. Sie litt an belastungsbedingten Schmerzen an der Lendenwirbelsäule, konnte nicht lange gehen und nicht ohne Schmerzen vom Liegen zum Sitzen wechseln. Die ärztliche Diagnose lautete: Facettengelenksarthrose, Hyperlordose und Blockade des Iliosakralgelenks rechts. Nun war sie beschwerdefrei und wollte gesünder und ohne neue Rückschläge ein aktiveres Leben führen. Die hausärztliche Empfehlung ging in Richtung Entlastung und Schonung, ihr Arzt riet vom Laufen eher ab. Darf Frau W. also laufen? Ja - sie muss nur mit fachkundiger Anleitung die richtigen Vorbereitungen treffen.
 

Die sportärztliche Untersuchung


Zur Absicherung und zur Bestimmung von Kontraindikationen sollte immer eine sportärztlichen Voruntersuchung erfolgen. Dabei wird die Sporttauglichkeit festgestellt und die aktuelle Leistungsfähigkeit bestimmt. Zusätzlich können auch ein Laktattest und Spiroergometrie durchgeführt werden. Zur Auswahl des richtigen Schuhwerks empfiehlt sich der Rat eines Experten, der auch eine videogestützte Laufbandanalyse durchführen kann. Jeder Sport ist nur mit geeignetem und gutem Equipment sinnvoll, gesundheitsfördernd und macht Spaß.Neben einer Fuß-Laufanalyse ist eine Funktionsdiagnostik der gesamten Körperstatik ratsam.

Nach einer ausführlichen Anamnese sowie einer Haltungs-, Stand- und Ganganalyse führte ich bei meiner Kundin den Functional Movement Screen, den Y-Balance-Test und weitere individuelle physiotherapeutische Tests durch. Neben einer Hyperlordose der LWS zeigte sich bei Frau W. eine Hyperkyphose der BWS und ein seitliches Abkippen des Beckens in der Standphase (Trendelenburg). Außerdem stellte ich einen medialen Kollaps in beiden Kniegelenken und einen initialen Hallux valgus rechts mit abgesenkten Quergewölben in beiden Füßen fest. Auch wenn Frau W. aktuell keine Beschwerden hatte, war die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles bei ungewohnter hoher Belastung sehr hoch. Deswegen konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dem eigentlichen Lauftraining begonnen werden.
 

Funktionelle Voraussetzungen schaffen


Das Ziel von Frau W. war, in einem halben Jahr an einem Fünf-Kilometer-Volkslauf teilzunehmen und dabei beschwerdefrei zu bleiben. Nach der hausärztlichen Empfehlung, sich nicht zu überlasten, war die Kundin sehr verunsichert, ob der Laufsport für sie wirklich geeignet ist. Frau W. kann die Angst vor Sport genommen werden. Angemessene, wohldosierte Aktivitäten haben einen positiven Einfluss auf degenerative Veränderungen. Schonung und zu lange Entlastung sind dagegen eher kontraproduktiv.Aufgrund der orthopädischen Befunde legte ich Wert auf Korrektur- und Mobilisationsübungen sowie isolierte aktivierende Übungen für abgeschwächte Muskelgruppen. Des Weiteren achtete ich besonders auf Rumpfstabilität, Vermeidung von Ausweichbewegungen, Mobilität von Hüften und BWS sowie Beinachsentraining. Anwenden kannst du Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, wie zum Beispiel Rumpfstützübungen, Standwaage, Fersenheben, multidirektionale Ausfallschritte sowie Koordinationsübungen auf unterschiedlichen Untergründen. Bevor das eigentliche Lauftraining begann, musste der Bewegungsapparat der Kundin einwirkende Kräfte von myofaszialen und weniger von Gelenk- und Kapselbandstrukturen absorbieren können. Das erforderte die Adaptation von Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln.
 

Entwicklung der Lauftechnik

In den ersten Projektwochen dominieren Korrektur- und isolierte Übungen. Hier sollte schon ein leichtes Lauf-ABC mit Sprunggelenksarbeit, Skippings, Kniehebelauf und Anfersen durchgeführt werden. Bei verbesserter Übung und Belastbarkeit können dann funktionelle Trainingsformen für die Rumpf- und Hüftstabilität eingesetzt werden. Ein Training in Zirkelform erhöht neben der Kraft auch die Ausdauer. Das Lauf-ABC wird letztendlich mit Rückwärts-, Seit- und Überkreuzlauf erweitert. Aufgrund der hohen Belastung wird Hopserlauf, Prellhopser und Sprunglauf erst am Ende der zwölf Wochen ins Übungsprogramm integriert. Wichtig ist immer auf die Qualität der Bewegungsausführungen und absolute Schmerzfreiheit zu achten. Nach den zwölf Wochen kann das Lauf-ABC in das Warm-up integriert werden. Das eigentliche Lauftraining stellt dann den Schwerpunkt in den Trainingseinheiten dar. Im Infokasten siehst du eine beispielhafte Trainingsplanung über zwölf Wochen.

Nach einem halben Jahr hat Frau W. den Laufsport und das Training in ihren Alltag integriert. Die funktionellen Fähigkeiten haben sich deutlich verbessert, es gab keine Rückenschmerzrezidive. Zwischenzeitlich auftretende peripatelläre Knieschmerzen konnten mit einfachen Maßnahmen behoben werden (Pause, Wärme, Flossing und Kinesio-Tapes). Der erfolgreich absolvierte Fünf-Kilometer-Lauf am Ende des Trainingsprozesses stellte das Erreichen des Zieles von Frau W. dar. Sie ist hoch motiviert, die Angst vor dem Laufsport konnte ihr genommen werden und sie möchte versuchen, in Zukunft auch längere Distanzen zu schaffen.

Abbildung: baranq / shutterstock.com
Quelle: shape UP 6/2022

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